Den Jäger meistern

01.06.2014

Brandenburg an der Havel

Jedes Jahr um die selbe Zeit kommt der Tag, dem jede gesellschaftlich-geschlechtliche Gruppe anders entgegen blickt. Die sowieso schon durch und durch testosteronverseuchte Männerschaft findet ihn notwendig (“Man hat ja sonst nichts zu feiern”), die Metrosexuellen finden ihn ziemlich feierlich (“Immer einen Grund zu feiern”), die Frauenwelt findet ihn jämmerlich (“Was gibt’s denn da für euch zu feiern?”) und mögliche Kinder finden es einfach weltfremd (“Mama, warum sitzt da ein Affe in unserem Wohnzimmer, der aussieht wie Papa?”). Alles in allem divergiert die Wahrnehmung dabei offenbar so stark, dass sich für den Tag selbst unterchiedlichste Bezeichnungen ergeben haben: Vatertag, Herrentag (im Berliner Fachjargon auch “Härrntach”), Christi Himmelfahrt. Kurz: Der Tag, wegen dem ein Großteil des arbeitenden Volkes einen Brückentag Urlaub nehmen muss, um nicht nach erfolgreicher Zelebrierung eben jenes Vortages vollkommen zerstört in den Betrieb zu krauchen.

Herrentag also. Wir als Metro-Pärchen finden den Tag vor allem: ganz feierlich. Aber eben nicht so dolle, dass man sich benehmen muss, als wäre morgen das Armageddon. Ähnlich verhält sich das bei Silvester. Ist halt eine Party. Aber nicht die geilste der Welt. Wer so rangeht, glaubt auch ernsthaft daran, mit einer “Ich-reiße-heute-im-Klub-eine-auf”-Attitüde erfolgreich zu sein. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wir waren in den letzten Jahren immer Teil einer Fahrradkolonne, die sich saufend und jugendlich tollwütig um den Berliner Müggelsee bewegt hat, alles an Buschwerk, Schildern und Mülleimern mit sich reißend, wie es sonst nur Tropenstürme vermögen. Gut, so schlimm waren wir nie. Aber das eine oder andere ausgegrabene Video vergangener Fahrten kann schon Fremdscham auslösen. Wobei dann bis dato immer die Schadenfreude überwog. Wir Deutschen sind wohl so.

Dieses Jahr sind Woyack und ich einer Einladung nachgekommen: Ganz entspannt auf dem Boot eines Kollegen mit einigen anderen Herren unterschiedlichen Alters über die Berliner Kanäle bis nach Potsdam und dann weiter nach Brandenburg an der Havel. Kurz um: Das Wetter war bescheiden, Jägermeister/Bier/Wein/Wodka und Havanna waren herzerwärmend, die Gespräche waren ausgelassen, die Onboard-Grillerei exquisit und der gemeinsame Bowlingabend (aka “Männer die mit Kugeln werfen”) höchst unterhaltsam. Nur dieser Granaten-Whiskey zum Schluss des Tages, der war dann irgendwie etwas grenz-gewaltig.

Ist schon lange her, dass ich auf einem schaukelnden Boot mit Wellengeräuschen aufgewacht bin. Sonne, Wind und Natur sind dennoch eine der besten Möglichkeiten, in den Tag zu starten. Eine Stunde Regio fahren danach gehen auch noch gerade so. Schwerwiegende Magazinproduktion unter Zeitdruck und technischen Schwierigkeiten hingegen machen einem den Tag dann schon schwer. So mit innerem Wellengang und einem Hirn voll transatlantischen Rums. Geklappt hat’s dennoch. Woyack hatte es da leichter. Er fuhr mit dem Boot einfach wieder entspannt zurück. Naja, einer muss ja malochen gehen.

Wir schwimmen im Jägermeister

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schrieb Winkelmann