Ein Wort sagt mehr als 1000 Bilder
Der Knall kam 2010 mit einer Smartphone-Applikation, die die durch und durch geheimnisvolle, kunsttechnologische Welt der analogen Fotografie innerhalb weniger Monate dem Mainstream öffnete. Instagram, diese App, mit der man dank verschiedener Filter selbstgeschossene Fotos verschönschandeln kann, und alles mit einem individuellen Rahmen verziert, um seinem Bildmaterial einen ganz eigenen Anstrich zu geben.
Eine einfache Anmeldung im Netzwerk von Instagram, die benutzerfreundliche Vernetzung mit Freunden und Bekannten, eine lose Kommentarfunktion; mit dem Insta-Messenger folgte alsbald sogar eine eigene Chat-App. Damit umgeht man als Nutzer das ganze Fazebuck-Gedöns, sieht sich satt an Bildergalerien, und schreibt Subjekte des Interesses einfach entlang des optischen Eindrucks an. Gut möglich, dass dieses noch so gar nicht auf Kurzzeit-Verkupplung ausgelegte soziale Mikroblog Muttertier später entwickelter (und auch leider sehr leidiger) Flirt-Apps ist. Dazu später einmal ein Exkurs. Alles in allem ist Instagram sehr einfach zu verstehen und zu bedienen. Selbst für eingefleischte Netzmiesmuscheln. Das begriff auch Datenkrake Faze und fraß das Unternehmen 2012.
Seither schaue ich auch gespannt zu, wie sich die Trends des social photograghy immer mies-gemeiner den Rang der Popluarität ablaufen. Viele alternative Foto-Apps wie Pixlromatic, Landcam oder VSCO sind seitdem aufgetaucht. Einige halten sich als reine Offline-Programme, andere bieten szenische Diasporagesellschaften an, so ganz ohne Überwachung aus den Zuckerbergen.
Interessant bei all den Unterrubriken des Selfies, des Food Porn sowie des stabilen Catcontents ist (und dieses sollte jetzt schon Unwort des Jahres 2014 sein), dass der Homo Digitalis seine grundtriebigen Interessenlagen lediglich dem Zeitgeist entsprechend über immer neue Kanäle auslebt. Oder kurz: Bei dit janze Insta-Zeuch rejiern Titten und Tierbabys. Resignation empfinde ich auch bei der Form des Neo-Materialismus, der sich bilgewaltig in frisch lackierten Fingernägeln auf Porsche-Lenkrädern und stets identisch versteinerten Fratzen von Privatflugzeugen manifestiert. Einfalt schlägt Vielfalt. Diese Prämisse galt schon immer. Hast du einen Nickelback-Hit, dann schreibe den Rest deines Lebens Songs nach diesem Muster. Die Kritiker zerreißen es, die Menge kauft es. Mainstream funktioniert so. Erfolgreich dabei wird der, welcher grundlegende Bedürfnisse zu adressieren weiß.
Überraschend ist diese Erkenntnis nicht. Umso schöner, dass sich hier in den letzten Jahren ebenfalls die Spreu vom Weizen trennt. Denn wie schon in den Jahren zuvor gibt es (Hobby-)Fotografen mit einer ruhigen Hand, einem schnellen Abzug für den passenden Moment, einem Blick für den goldenen Schnitt, eben einem Gespür für schöne Komposition. Eben diese Fotos bekommen dank besprochener Filter-Apps ein paar nette Kanten in Zeiten vollendeter Photoshop-Retusche.
Und dann gibt es den großen ganzen Rest, deren unzählige Feeds überquellen mit entweder immer dem akurat selben Scheiß, oder eben solchem Bildmaterial, aus dem der Betrachter nicht schlau wird. Eine passende Bildunterschrift kann da manchmal helfen. Oft reicht sie leider nicht. Selbiges Volk hält auf Konzerten eine Stunde lang das Smartphone in die Luft, verdeckt die Sicht derer, die den Auftritt genießen wollen, und sammeln Material, dass audiovisuell bei den technischen Gegebenheiten so nützlich ist, wie ein Lutscher, der nach Scheiße schmeckt. Wohl dem, dessen Akku einfach zwischendurch stirbt. Dankenswerterweise laden solche Menschen besagtes Filmmaterial danach auf irgendeine Plattform hoch. So haben dann auch alle Netzmitglieder etwas von kreischenden Höhen und schmatzenden Tiefen. Der Klang ist doch nicht so wichtig. Dabei ist alles!
Ganz zu schweigen von gefühlten eine Million Fakeaccounts, die einem zu gerne ihre Werbung in den Feed zwängen möchten. Ich frage mich dann immer, wie solch offensichtlicher Bot-Schwachsinn oft mehr Follower hat, als bekannte Musikerprofile. Ach warte kurz, wegen des Tittenmonsters auf dem Profilbild. Viele dieser Follower sind bei genauerem Hinschauen ebenfalls Bots. Maschinen folgen Maschinen. Und wir gucken unretuschiert in die Röhre. Willkommen in der Matrix.
Was wirkt wir ein Un-Ode auf Instagram, ist keine. Unsere WG lebt davon, optisch mit der Welt geteilt zu werden. Wir beobachten lediglich. Und wir machen dabei Schnappschüsse. Von einem wilden Stillleben am Arbeitsplatz. Von einem herrlichen Platz zur Mittagspause in der Altstadt. Oder einer zerknautschten Fresse nach der Party. Von unseren analogen Freunden mit 3,8 im Turm und kurz davor, etwas richtig schön Beklopptes zu tun. Bei circa 55 Millionen hochgeladenen Fotos täglich (Stand: Dezember 2013) darf man jedoch beim dritten Starbucks-Kaffee-Becher-Bild in der Woche ruhig mal überlegen, ob man seinen Followern damit etwas Neues erzählt.
Empfehlenswerte Instagramers:
LIZKEFOTOGRAFIE, ANTHONYCUCCULELLI, MARCOAVITALE, ADITZT