Ein Wort sagt mehr als 1000 Bilder

22.06.2014

Altstadt Köpenick

Der Knall kam 2010 mit einer Smartphone-Applikation, die die durch und durch geheimnisvolle, kunsttechnologische Welt der analogen Fotografie innerhalb weniger Monate dem Mainstream öffnete. Instagram, diese App, mit der man dank verschiedener Filter selbstgeschossene Fotos verschönschandeln kann, und alles mit einem individuellen Rahmen verziert, um seinem Bildmaterial einen ganz eigenen Anstrich zu geben.

Eine einfache Anmeldung im Netzwerk von Instagram, die benutzerfreundliche Vernetzung mit Freunden und Bekannten, eine lose Kommentarfunktion; mit dem Insta-Messenger folgte alsbald sogar eine eigene Chat-App. Damit umgeht man als Nutzer das ganze Fazebuck-Gedöns, sieht sich satt an Bildergalerien, und schreibt Subjekte des Interesses einfach entlang des optischen Eindrucks an. Gut möglich, dass dieses noch so gar nicht auf Kurzzeit-Verkupplung ausgelegte soziale Mikroblog Muttertier später entwickelter (und auch leider sehr leidiger) Flirt-Apps ist. Dazu später einmal ein Exkurs.  Alles in allem ist Instagram sehr einfach zu verstehen und zu bedienen. Selbst für eingefleischte Netzmiesmuscheln. Das begriff auch Datenkrake Faze und fraß das Unternehmen 2012.

Seither schaue ich auch gespannt zu, wie sich die Trends des social photograghy immer mies-gemeiner den Rang der Popluarität ablaufen. Viele alternative Foto-Apps wie Pixlromatic, Landcam oder VSCO sind seitdem aufgetaucht. Einige halten sich als reine Offline-Programme, andere bieten szenische Diasporagesellschaften an, so ganz ohne Überwachung aus den Zuckerbergen.

Interessant bei all den Unterrubriken des Selfies, des Food Porn sowie des stabilen Catcontents ist (und dieses sollte jetzt schon Unwort des Jahres 2014 sein), dass der Homo Digitalis seine grundtriebigen Interessenlagen lediglich dem Zeitgeist entsprechend über immer neue Kanäle auslebt. Oder kurz: Bei dit janze Insta-Zeuch rejiern Titten und Tierbabys. Resignation empfinde ich auch bei der Form des Neo-Materialismus, der sich bilgewaltig in frisch lackierten Fingernägeln auf Porsche-Lenkrädern und stets identisch versteinerten Fratzen von Privatflugzeugen manifestiert. Einfalt schlägt Vielfalt. Diese Prämisse galt schon immer. Hast du einen Nickelback-Hit, dann schreibe den Rest deines Lebens Songs nach diesem Muster. Die Kritiker zerreißen es, die Menge kauft es. Mainstream funktioniert so. Erfolgreich dabei wird der, welcher grundlegende Bedürfnisse zu adressieren weiß.

Überraschend ist diese Erkenntnis nicht. Umso schöner, dass sich hier in den letzten Jahren ebenfalls die Spreu vom Weizen trennt. Denn wie schon in den Jahren zuvor gibt es (Hobby-)Fotografen mit einer ruhigen Hand, einem schnellen Abzug für den passenden Moment, einem Blick für den goldenen Schnitt, eben einem Gespür für schöne Komposition. Eben diese Fotos bekommen dank besprochener Filter-Apps ein paar nette Kanten in Zeiten vollendeter Photoshop-Retusche.

Und dann gibt es den großen ganzen Rest, deren unzählige Feeds überquellen mit entweder immer dem akurat selben Scheiß, oder eben solchem Bildmaterial, aus dem der Betrachter nicht schlau wird. Eine passende Bildunterschrift kann da manchmal helfen. Oft reicht sie leider nicht. Selbiges Volk hält auf Konzerten eine Stunde lang das Smartphone in die Luft, verdeckt die Sicht derer, die den Auftritt genießen wollen, und sammeln Material, dass audiovisuell bei den technischen Gegebenheiten so nützlich ist, wie ein Lutscher, der nach Scheiße schmeckt. Wohl dem, dessen Akku einfach zwischendurch stirbt. Dankenswerterweise laden solche Menschen besagtes Filmmaterial danach auf irgendeine Plattform hoch. So haben dann auch alle Netzmitglieder etwas von kreischenden Höhen und schmatzenden Tiefen. Der Klang ist doch nicht so wichtig. Dabei ist alles!

Ganz zu schweigen von gefühlten eine Million Fakeaccounts, die einem zu gerne ihre Werbung in den Feed zwängen möchten. Ich frage mich dann immer, wie solch offensichtlicher Bot-Schwachsinn oft mehr Follower hat, als bekannte Musikerprofile. Ach warte kurz, wegen des Tittenmonsters auf dem Profilbild. Viele dieser Follower sind bei genauerem Hinschauen ebenfalls Bots. Maschinen folgen Maschinen. Und wir gucken unretuschiert in die Röhre. Willkommen in der Matrix.

Was wirkt wir ein Un-Ode auf Instagram, ist keine. Unsere WG lebt davon, optisch mit der Welt geteilt zu werden. Wir beobachten lediglich. Und wir machen dabei Schnappschüsse. Von einem wilden Stillleben am Arbeitsplatz. Von einem herrlichen Platz zur Mittagspause in der Altstadt. Oder einer zerknautschten Fresse nach der Party. Von unseren analogen Freunden mit 3,8 im Turm und kurz davor, etwas richtig schön Beklopptes zu tun. Bei circa 55 Millionen hochgeladenen Fotos täglich (Stand: Dezember 2013) darf man jedoch beim dritten Starbucks-Kaffee-Becher-Bild in der Woche ruhig mal überlegen, ob man seinen Followern damit etwas Neues erzählt.

Empfehlenswerte Instagramers:

LIZKEFOTOGRAFIE, ANTHONYCUCCULELLI, MARCOAVITALE, ADITZT

schrieb Winkelmann

Rück’ die Kohle rüber!

19.06.2014

Kraftwerk Klingenberg Rummelsburg

Ein langjähriger und ebenso texte-reihernder Freund hat mir geraten, Kaffee (in welcher Form und Mischung auch immer) zu trinken, statt darüber zu schreiben. Recht hat er, der Gute. Gerade trinke ich sowieso eher Chai Latte. So schreibe ich über einen anderen Antriebsstoff, der farblich ganz ähnlich verortet ist. Lediglich seine Konsistenz ist eine andere. Die Rede ist von Braunkohle, des Menschen liebster fossiler Energieträger.

Als ich letztens so duschte, und ich dusche gerne, erfreute ich mich an sofort präsentem Warmwasser aus der Leitung. So schnell ist die Fernwärme da, dass ich Boiler-Gewöhnter schon mal schreckhaft aus unserer Waschanlage flüchtete. Geliefert wird sie vom Kraftwerk Klingenberg in Rummelsburg. Was klingt wie ein von der Horde gehaltener wirtschaftlicher Knotenpunkt aus dem MMORPG “World of Warcraft”, ist in der Tat eines der größten Heizkraftwerke Ostberlins (Eine Information, für die ich dem Vater eines sehr guten Freundes dankbar bin).

Klingenberg liegt an der Köpenicker Chaussee 42 bis 45 und deckt die komplette Fläche vom Ufer der parallel laufenden Spree bis nach Norden zum Betriebsbahnhof Rummelsburg ab. Dort grenzt es an die Wartungshallen der Deutschen Bahn an. Der elfstöckige Klinkerbau wurde von Prof. Dr. Georg Klingenberg entworfen und ging 1927 ans Netz. Verfeuert wird seitdem Braunkohle aus den Tagebauen rund um Cottbus, seit der Modernisierung 1987 verarbeitet man dort auf Erdgas. Die erste technische Aufrüstung war aber schon in den 60ern nötig, da die Luftverschmutzung in Lichtenberg arg zunahm. Abhilfe schaffte das von der DDR geführte Heizwerk durch die Installation von Filteranlagen. 

Noch heute greifen die Schornsteine von allen Straßen und Bahnstrecken aus gut sichtbar gen Lichtenberger Firmament. Und kotzen Schwaden weißen Dampfs himmelwärts. Doch auch mit der Braunkohle soll hier bald Schluss sein. Der jetzige Betreiber, so ein Laden aus Schweden, legte nach heftigem Protest von Anwohnern, Bezirksverwaltung und Senatsverwaltung an ersteren Ausbauplänen ein neues Kraftwerkskonzept vor.

Dieses sieht zwei kleine Biomasse-Kraftwerke sowie den Bau eines größeren Gas-und-Dampf-Kombikraftwerks vor. Die Biomassekraftwerke sollen die Wärmegrundlast liefern. Der Bauabschluss ist wohl 2016, das aktive Kohlekraftwerk soll nach Erreichen der vollen Leistung der neuen Anlagen dann stillgelegt werden. Dass das nicht von heute auf morgen funktioniert, ist klar. Der Wandel ist aber da. Für ‘ne saubere Stadt. I liike.

schrieb Winkelmann

Interessiert nicht die Bohne

13.06.2014

Kaffee, Kopf und Kosmische Explosionen

Schon seit Anbeginn meines Kaffeekonsums gerate ich immer wieder in den Strudel folgender Diskussion: Ab wann gilt Kaffee als Kaffee? Welche extrakaffee’schen Substanzen sind in welchen Mengen noch zulässig, bevor aus Kaffee Kakao mit Koffein wird? Oder Ähnliches. Und was haben eigentlich die Tempelritter damit zu tun? Nun, eigentlich gar nichts. Doch passend zum sich hartnäckig haltenden Gerücht, Freitag der 13te heiße deshalb so, weil der damalige französische König Philipp IV. an jenem Tag im Jahr 1307 in Paris die Verhaftung aller dem Templerorden angehörigen Ritter befahl, sei dies am heutigen Tag erwähnt. Die Schaurigkeit des schwarzen Freitags ist jedoch eine weitaus ältere.

Nun gibt es die Kaffee-Hardliner. Deren brühender Bohnensaft ist so schwarz wie die Nacht. Oder eben so schwarz wie der heutige Freitag. Obwohl meiner bis dato recht unfallfrei verlief. Dann sind da die Mit-Milch-Trinker. Dazu zähle ich. Der Kaffee darf dann gerne etwas stärker sein. Die Bitterkeit mildert dann das weiße Gold. Kommt da dann sehr viel Zucker hinzu, wird’s auch mir zu bunt. Woyack trinkt übrigens schwarz. Einmal im Monat darf ich ihm Milch dazu gießen. Das verhält sich ähnlich, wie bei seinem Obstverzehr. 29 Tage guckt er Äpfel und Bananen gar nicht an. Und dann isst er alles an einem Tag auf. Auch an diese Gewohnheiten muss man sich beim Zusammenleben gewöhnen.

Unsere Arbeits-/Ess-Tische auf Zeit leben sich derweil gut ein. Wir frühstücken an ihnen, arbeiten vereinzelt Sachlagen und Umstände auf. Darauf sitzen hat auch was. Rebellen für immer. Auch Kolumnen, Songtexte, ja sogar dieser Eintrag entsteht auf einer der besagten Tischplatten. Generell bietet die unfertige Weiträumigkiet unserer WG viel Raum für Kreativität. So fühlen sich dann wohl Mitarbeiter der Kreuzberger Agenturen für Hipstergedöns.

Doch auch das zieht langsam in unsere Richtung. Letzens öffnete das KIKI BLOFELD bei uns “Unter der Kranbahn 6″ am Wasser um die Ecke, ein renommierter Barklub, der seiner Zeit direkt neben der ehemaligen BAR 25 residierte. Auch das Frühstücks-Café BENKYS in der “Rathenaustraße 7″ ist eine tolle Adresse für verkaterte Sonntage. Weitere Adressen stehen zum Antesten auf der Liste. Solange bei uns keine arbeitsfertige Küche steht, wird wohl das eine oder andere Frühstück noch to go stattfinden.

Vor ein paar Wochen haben wir eine palmenähnliche Pfanze vor dem Restmüll gerettet. Mitgenommen sah sie aus, und büste beim Überwinden von 15 Höhenmetern ins Dachgeschoss auch alle verbleibenenden Blätter ein. Und dennoch: nach fürsorglichem Gießen sprießen erste Jungblätter. Das erste erkämpfte Grün unserer vier Wände. Wir haben Aufwind.

schrieb Winkelmann

Den Jäger meistern

01.06.2014

Brandenburg an der Havel

Jedes Jahr um die selbe Zeit kommt der Tag, dem jede gesellschaftlich-geschlechtliche Gruppe anders entgegen blickt. Die sowieso schon durch und durch testosteronverseuchte Männerschaft findet ihn notwendig (“Man hat ja sonst nichts zu feiern”), die Metrosexuellen finden ihn ziemlich feierlich (“Immer einen Grund zu feiern”), die Frauenwelt findet ihn jämmerlich (“Was gibt’s denn da für euch zu feiern?”) und mögliche Kinder finden es einfach weltfremd (“Mama, warum sitzt da ein Affe in unserem Wohnzimmer, der aussieht wie Papa?”). Alles in allem divergiert die Wahrnehmung dabei offenbar so stark, dass sich für den Tag selbst unterchiedlichste Bezeichnungen ergeben haben: Vatertag, Herrentag (im Berliner Fachjargon auch “Härrntach”), Christi Himmelfahrt. Kurz: Der Tag, wegen dem ein Großteil des arbeitenden Volkes einen Brückentag Urlaub nehmen muss, um nicht nach erfolgreicher Zelebrierung eben jenes Vortages vollkommen zerstört in den Betrieb zu krauchen.

Herrentag also. Wir als Metro-Pärchen finden den Tag vor allem: ganz feierlich. Aber eben nicht so dolle, dass man sich benehmen muss, als wäre morgen das Armageddon. Ähnlich verhält sich das bei Silvester. Ist halt eine Party. Aber nicht die geilste der Welt. Wer so rangeht, glaubt auch ernsthaft daran, mit einer “Ich-reiße-heute-im-Klub-eine-auf”-Attitüde erfolgreich zu sein. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wir waren in den letzten Jahren immer Teil einer Fahrradkolonne, die sich saufend und jugendlich tollwütig um den Berliner Müggelsee bewegt hat, alles an Buschwerk, Schildern und Mülleimern mit sich reißend, wie es sonst nur Tropenstürme vermögen. Gut, so schlimm waren wir nie. Aber das eine oder andere ausgegrabene Video vergangener Fahrten kann schon Fremdscham auslösen. Wobei dann bis dato immer die Schadenfreude überwog. Wir Deutschen sind wohl so.

Dieses Jahr sind Woyack und ich einer Einladung nachgekommen: Ganz entspannt auf dem Boot eines Kollegen mit einigen anderen Herren unterschiedlichen Alters über die Berliner Kanäle bis nach Potsdam und dann weiter nach Brandenburg an der Havel. Kurz um: Das Wetter war bescheiden, Jägermeister/Bier/Wein/Wodka und Havanna waren herzerwärmend, die Gespräche waren ausgelassen, die Onboard-Grillerei exquisit und der gemeinsame Bowlingabend (aka “Männer die mit Kugeln werfen”) höchst unterhaltsam. Nur dieser Granaten-Whiskey zum Schluss des Tages, der war dann irgendwie etwas grenz-gewaltig.

Ist schon lange her, dass ich auf einem schaukelnden Boot mit Wellengeräuschen aufgewacht bin. Sonne, Wind und Natur sind dennoch eine der besten Möglichkeiten, in den Tag zu starten. Eine Stunde Regio fahren danach gehen auch noch gerade so. Schwerwiegende Magazinproduktion unter Zeitdruck und technischen Schwierigkeiten hingegen machen einem den Tag dann schon schwer. So mit innerem Wellengang und einem Hirn voll transatlantischen Rums. Geklappt hat’s dennoch. Woyack hatte es da leichter. Er fuhr mit dem Boot einfach wieder entspannt zurück. Naja, einer muss ja malochen gehen.

Wir schwimmen im Jägermeister

schrieb Winkelmann

Wort zum Sonntag

25.05.2014

MD

Wochenende. Diese gesellschaftskulturell rückwärtsgewandte Aneinanderreihung von Freitagabend, Samstag und Sonntag. Diese klassische Maloche-Nine-to-Five-Struktur der Arbeiterklasse der 50er Jahre, die arbeitsrechtlich vorsah, dem produktiven Volk Tage des Ausgleichs und der Erholung zu bieten. Etwas, das zur Wochenplanung unserer Großeltern und Eltern so selbstverständlich dazu gehörte, dass sie am Dienstag schon wussten, was sie an welchem Wochenendtag kochen konnten.

Diese Sicht auf zeitliche Determinierung ist unserer Generation abhanden gekommen. Keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist. Oft sagen wir uns, dass das Hand in Hand geht mit dem Karrieredenken unserer Zeit. Sprich, es wird weniger klar strukturiert in die nächsten zehn Jahre geplant, sondern sich in Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen gestürzt, Praktika gemacht, studiert, nebenbei gejobbt, sich auf Partys #DieKidsSagenYolo -mäßig den Helm abgeschrabt und sich durch die Weltgeschichte geliebt. Nach Abschluss des akademischen Grads wird man dann weiterhin das Gefühl nicht los, etwas unwissend darüber zu sein, wo man mit alle dem hin will. In einer solchen Wolke von Möglichkeiten hat eine Arbeitswoche von Montag bis Freitag genauso wenig Bedeutung, wie eine festgelegte Auszeit von Samstag bis Sonntag.

Wobei wir zunehmend feststellen, dass es nicht unbedingt immer eine Frage von Bildungsgrad und der Sprunghaftigkeit des Bildungsweges ist. Viele junge Menschen arbeiten in mehreren Jobs. Oft aus Geldnöten. Oft, um eine Zeit zu überbrücken, in der sie sich neu orientieren, vielleicht doch noch studieren, wollen. Nicht selten, weil sie es einfach wollen. Und weil sich das Portemonnaie über Extrageld immer freut. Für neue Schuhe, Klamotten, das Whatever-Abonnement, oder ein paar Tanzabende mehr im Monat.

Wir arbeiten beide in verschiedenen Bereichen, sind quasi eine publizistisch-informationstechnologisch-konzeptionelle Kreativ-Bude. Wir beide sind häufig bis nach 23 Uhr aus dem Haus. Organisation wie Wäsche und Einkauf läuft über Whatsapp, während der gemeinsamen Late-Night-Appetizer oder verspäteter Brunchaktionismen in naheliegenden Cafés reden wir uns dann den Arbeitswust von der Seele. Eine andere Form der geistigen Entlüftung sind in der Tat die gemeinsamen Filmabende. Wobei auch diese eher spontan statt finden. Man trifft sich gegen Mitternacht nach der Arbeit, quatscht, trinkt, und plötzlich läuft die neue Empfehlung vom VoD-Anbieter des Vertrauens.

Spontane Pop-Up-Organisation mit Unternehmergeist und deinem Schuss Cuba Libré steht unserer WG ganz gut nach dem ersten gemeinsamen Monat. Zusammenleben 2.0 läuft.

schrieb Winkelmann

Raum ist relativ

21.05.2014

Bierflaschen

Viel zu tun gibt es im Heim der guten Worte. In der Tat ist der letzte Eintrag hier schon etwas länger her. Untätig waren Woyack und ich deswegen natürlich nicht. Er kämpfte eine grippale Chimäre nieder, ich hatte an meinem hollywood-reifen Neustart meiner Band zu knabbern. Und ganz nebenbei wäscht sich ja Siegerunterwäsche auch nicht von allein.

Mittlerweile füllen ein TV-Glotz-Gerät, eine Couch und ein Tisch unseren Wohnbereich. Das Badezimmer erfreut sich an einer kleinen, palmenartigen Pflanze vom Typus Unbekannt sowie farblich passenden Handtüchern, und wir haben – Achtung – einen zweiten Wäscheständer plus Staubsauger. Alles in allem ein ganz ordentliches Arsenal, bedenkt man das Klischee haushaltherisch eher muffeliger Jungmänner.

Irgendwann letztens, an einem nicht klar definierten Datum, brach dann diese “Wir-können-unsere-Wohnung-langsam-mal-Freunden-zeigen”-Zeit an. Dieser Moment, als wir uns beide ansahen und uns sagten, dass jeder unabhängig von dem anderen bereits schon Freunde oder Familie mal spontan zu einem Kaffee eingeladen hatte, nur so, für fünf Minuten. Möglich, dass da mal eine unausgesprochene Regel bestand, sich gegenseitig vorher Bescheid zu sagen. Junger Wohnraum kann ja so unaufgeräumt sein.

Eine gemeinsame Freundin tippelte dann also letztens in unser beider Anwesenheit durch unsere Wohnung. Besah erst den “exorbitant gewaltigen Wohnbereich” (Zitat Ende), erfreute sich am (Raucher-)Balkon, und wanderte folgend Richtung Einzelzimmer. Nach erfolgreicher Erkundungstour kehrte sie in den Wohnbereich zurück und blieb abrupt stehen. Ihr Blick haftete ungläubig an der Tür zum Balkon. Dann weiteten sich ihre Augen mit kindlicher Freude. “Ihr habt ja noch einen Balkon!”

Bis heute frage ich mich, ob in den Tiefen meines Zimmers vielleicht irgendwo Kryptonit rumgeleuchtet hat, oder einer der Men in Black plus Blitzdings kuzerhand aus meinem Kleiderschrank gehüpft kam, um besagter Bekanntschaft Kurzzeitgedächtnis etwas durcheinander zu würfeln. Sie jedenfalls behauptete felsenfest, sich in unserem Öl-Scheich-Palast derartig verlaufen zu haben, dass sie unsere Tigerterrasse nach erster Sichtung komplett vergessen hatte. Du, kein Ding. Passiert.

schrieb Winkelmann

Musste drehen.

06.05.2014

Aufbau

Nur ganz kurz mal: Ich kann keine Schrauben mehr sehen. Es hat ja durchaus Flair, sich wie ein Holzfäller-Hipster-Kanada-Selfmade-Mann zu füllen und sämtliche Möbel im Angesicht eigener, schweißtreibender Arbeit entstehen zu sehen. Aber ganz ehrlich: Nö. Eigentlich will ich nicht mehr.

Und wenn dann auf der Einweihungsfeier irgendeiner unserer Hässlons auf die Idee kommt, in einem Anfall süffigen Übermutes Einrichtung jegweder Art zu beschädigen: Das hat dann ein Nachspiel. Bei aller Freundschaft.

 

schrieb Winkelmann

Vollholz vor der Hütte

04.05.2014

Warenausgabe

Woyack hat ja da so eine Theorie. So, wie andere aus astronomischen Ereignissen astrologische Kochbücher heraus deuten, niederschreiben und dann damit richtig Schmotter verdienen, oder wieder andere an eine weltumspannende Verschwörung der Freimauer glauben. Oke, seine ist nicht ganz so abgefahren. Sondern eher pragmatischer Natur. Er nennt sie die Eine-Wohnung-vier-Fahrten-Theorie. Sie besagt, dass pro Umzug trotz lasergenauer Ausmessung der Räumlichkeiten mindestens vier Großeinkäufe in einem Möbelhaus nötig sind, bevor man das Nötigste hat. Ich halte dagegen, dass wir keine vier Ritte brauchen. Wir haben nun zwei hinter uns gebracht. Der nächste ist der entscheidene. Und ich glaube, dass ich gewinnen kann.

Denn die einzige Fläche in unserer Wohnung, wo noch nahezu gähnende Leere herrscht, ist die Küche. Und die bereitet uns Kopfschmerzen. Freistehende Schränke ja/nein, Arbeitsplatte ja/nein, Gasherd mit Elektro-Ofen ja/nein, Hühnerstall ja/nein. Alles in allem bewegende Fragen. Und preisintensive dazu. Das Badezimmer steht mittlerweile soweit und muss nur noch etwas lebendiger werden. Der Duschvorhang befreite uns von der Schmach, in der Badewanne hockend zu duschen, was ja gerade Woyack gestört haben dürfte. Ich für meinen Teil bin ja fünf Zentimeter unter dem deutschen Durchschnitt körperlichen Wuchses. Damit sind die Platzprobleme anderer eher selten auch meine.

Viel Raum für Entfaltung bietet aktuell auch unser Essbereich. Woyack will einen großen Tisch. Vollholz. Bitte eine Tonne Nettogewicht. Er hat auch schon Angebote rausgesucht. Ich könnte mich für diese Preise ungefähr 20 mal getränketechnisch zu den Sternen katapultieren. Wo wir wieder bei den Sternzeichen wären. Ich bin ja Widder. Stoisch, meinungsbetont, etwas stur, aber durchaus harmoniebedürftig und utilitaristisch. Somit bin ich bei der Tischwahl recht offen. “Du kannst dich da total austoben, ich mache diesbezüglich alles mit.”, sage ich zu Woyack, vor der Tischauswahl bei Ikea stehend. “Echt? Alles?” – “Ja, alles.” Er zögert kurz. Dann zeigt er auf einen erweiterbaren Tisch aus Buche, der ein wenig nach Garteneinrichtung aussieht. “Gut, dann den hier.” – “Nein. Der ist hässlich.” Ich mag mein Vetorecht.

Die Tischwahl haben wir vertagt. Genauso, wie die Küche. Irgendwelche Maße haben bis jetzt immer gefehlt. Gegessen wird bis jetzt bei uns an der “Bar”, einer dreieinhalb Meter langen, brusthohen Wand, die unsere Küche vom Wohnzimmer trennt. Da kommen noch Hocker ran. Zum Versacken. Natürlich in Vollholz. So für rische Männers. Der Kühlschrank beinhaltet nun neben den Spirituosen endlich auch mal etwas Käse, Wurst, Butter und Aufstrich. Lampen hängen, stehen und wackeln auch schon. Langsam, Leute, wird es bei uns.

schrieb Winkelmann

14, hilflos und verstrahlt

27.04.2014

Nachstrahlung

Irgendwie habe ich es hin bekommen, die ersten Nächte in der Wohnung zu verbringen. Immerhin: Kühlschrank und Waschmaschine sind pünktlich geliefert worden, die Spediteure waren dann gleich auch so frei, Tragehandschuhe und einen Cutter da zu lassen. Ab sofort werden die lästigen Ikeakartons also wieder aufgeschnitten statt zerfleddert. Zu nett.

Woyack hat es dann am Wochenende endlich mal geschafft, seine sieben Sachen hier abzuladen. Und so bestand unser Samstag aus Möbelmontage, Schlepperei, Möbelmontage, Schlepperei, Blödgequatsche, Schwitzerei und lediglich einer Falafel beim Dönerbistro auf der Wilhelminenhofstraße. Dazu darf gesagt sein, dass unsere neue Gangsterhood hier eigentlich schon ganz schön oke ist. Hinter seiner latent sehr hässlichen, postindustriellen Fassade wiedervereinigter Belanglosigkeit offenbart sich ein relativ ruhiger Kiez mit viel schönem Altbau, grünen Hinterhöfen und dennoch regem Fußgängerverkehr.

Klar gurkt hier noch Klientel rum, das gutbürgerliche Zuzieher aktuell davon abhält, Schöneweide als attraktiven Wohnort zu sehen. Aber ehrlich? Neukölln, Kreuzberg, davor Prezelberg, und wie sie alle heißen, waren genau das vor Jahren auch. Und die Leute sind gekommen. Gut, nun pulsiert hier noch nicht das dicke Stadtleben. Aber der 2009 eröffnete Standort der Hochschule für Technik und Wirtschaft macht Mut. Rund um den Rathenauplatz siedelten sich schon Spätis und Cafés an, denen hier vor zehn Jahren niemand eine Chance gegeben hätte. Aber auch dazu später etwas mehr.

Woyack und ich sind dann gestern noch zu Ikea, weil wir feststellten, dass er ohne Bett schlecht in der Wohnung schlafen kann. So sind wir also wie ein frisch verheiratetes Paar mit einem gemeinsamen Wagen durch diese Einrichtungshölle gedonnert und haben lauthals über Lampen und Einrichtung debattiert. Am Ikeaschalter hielt man uns dann tatsächlich für ein Paar. Und mich offenbar für den weiblichen Part. Denn die Mitarbeiterin fragte zu Farb- und Schrankkombinationen mich. So richtig aussprechen konnte sie ihren Gedanken aber dann doch nicht. “Und wie wollen Sie ihr Bett, also Sie sind ja etwas schwerer und da böte sich eine härtere Matratze an, für ihren..ähm, ja, Partner..Freund, ich meine, er ist ja schon etwas leichter und vielleicht, ähm, nehmen sie dann eine, ich meine, was sagen Sie denn dazu..” “Wir schlafen nicht in einem Bett zusammen.” “Ach so, puh, ja. Ich dachte nur, weil..” Mach den Kopp uff, und sag, was dich bewegt. Wer nicht fragt, bleibt dumm. Wusste schon meine Oma.

Nach erfolgreichem Verladen und Schleppen der nächsten Fuhre von Einrichtung, taten wir das, was man mit neuen Wohnungen immer macht. Man verlässt sie und geht feiern. STAR FM Party im Magnet Club war angesagt. Auch hier stellte ich fest, dass ein nicht geringer Teil des Volkes ganz schön viele Schubladen im Kopf hat. Ich meine, wir schallern in dem Schuppen schon seit Jahren. Aber da wir alle weder eine viehsche Mähne haben, noch moshpit- und bargestählte 125 Kilogramm wiegen, oder in einem “No Future, only BMX”-Shirt in XL  durch die Gegend wehen, waren wir gleich #Yolo-Gruppe Vollverstrahlung. Quasi 14, auf der Suche nach Identität und schwul. Herrlich. Gerade die Damenwelt scheint sich da auf solchen Clubgängen hinsichtlich der Sondierung anwesender Männchen im geschlechtsreifen Alter auf althergebrachte Klischees zu verlassen.  Du kein Ding, ist die Überraschung nach dem Smalltalk umso größer.

Falls ihr also demnächst mal ein paar Typen auf der Tanzfläche abspasten seht, die sich und die Welt nicht ganz so ernst nehmen, wir die restlichen harten Typen: Kommt auf unsere Seite, wir haben Kekse. Das Leben ist viel schöner bei uns. Und die Erzieherin ist nie weit weg.

schrieb Winkelmann

Unser Schiff soll schöner werden

25.04.2014

WW250414

Nach einer ausgiebigen Inspektion der örtlichen Baumärkte habe zumindest ich beschlossen, erst einmal auf weitere Wandfarbe zu verzichten. Sobald Schrank und Co. stehen, wird sich zeigen, ob der geistig schon so bunt geratene Großstädter tatsächlich mehr Abwechslung an der Wand braucht. Selbstverständlich habe ich alle für mich interessanten Farben auch direkt mal auf organischer Oberfläche in Augenschein genommen. Nichts hier mit irgendwelchen Farbkarten, die mir ein Baumarktmitarbeiter netterweise unter die Nase hielt, wie einen japanischen Geisha-Fächer.

Meine Mutter hat sich nämlich kürzlich dazu breitschlagen lassen, eine Wand in ihrem Haus in einem Streifenmuster mit verschiedenen Creme- bis Beigetönen streichen zu lassen. Wo bei streichen lassen bedeutete, dass sie ihren herangewachsenen Nachwuchs einplante. Und wir wussten zu dem Zeitpunkt noch gar nichts von unserem Glück. Da solche Unternehmungen ja in der Gruppe viel geselliger sind, maß, klebte und strich ich besagtes Streifenmuster an der Wand trotzdem allein.

Als die Farben dann trockneten, wurden wir das Gefühl nicht los, dass die Farben MANHATTAN und PEARL irgendwie aussahen wie Eierschale. Dabei blieb’s dann auch. Nur gut, dass ich vorher alles minutiös vermessen und abgeklebt hatte. Wie war das doch gleich? Zeit ist Geld. Naja, für Mutti gehe ich gerne durch’s Feuer. Auch morgens um 7 Uhr. All das im Hinterkopf habend, besah ich mögliche Farben und entschied, dass ich genug gesehen hatte.

Derweil bin ich auf einen ja ganz zufällig reingeschalteten We-spy-your-preferences-and-let-you-think-your-friends-had-posted-this-nice-stuff-Post auf Gesichtsbuch aufmerksam geworden. In dem Fall heißt die Firma Poster Plate aus Warschau und fertigen ganz hübsche Metallposter zu verschiedensten Themenwelten. Das wäre natürlich eine Alternative. Und nein, ich habe keinen Deal mit den Jungs. Aber die Motive kannste schon machen.

 

schrieb Winkelmann

Hör ma zu, Atze

24.04.2014

Boxen

Nun steht ein zentrales Objekt unserer Begierde in unseren vier Wänden. Die beiden analogen Schätzchen kommen aus dem Hause VISTATON und röhren dank Endstufe aus den späten Neunzigern los wie ein Rothirsch in der Brunft. Wir Musiker sagen dazu auch liebevoll, der “Sound habe Sack”. Aktuell können wir uns schon auf unsere Couch setzen und die Anlage samt dahinter liegender, weißer Wand anstarren. Fernseher sind überbewertet.

Wir holen uns trotzdem einen. Ganz dezent soll er sein. Sich in das Konzept unseres minimalistischen Wohnraums einfügen. Woyack meint, dass 60 Zoll aufwärts reichen. Ich bin da noch etwas skeptisch. Jetzt, da wir uns doch schon einen Öltanker gekauft haben und uns mit horrenden Hafengebühren rumschlagen müssen. Konnte ja keiner ahnen, dass ein Parkplatz für einen 376-Meter-Kahn so in den Geldbeutel geht.

Nun ja, klanglich können wir also ab jetzt Alarm machen. Unsere Nachbarn wissen bereits Bescheid. Die nehmen es bis jetzt gelassen. Zur Einweihungsfeier wollen wir sie alle einladen, damit es nicht sofort auffällt, wenn die tieferen Frequenzen deren Lieblingsgeschirr aus dem Küchenschrank rödeln. In diesem Sinne: zwo, eins, Risiko.

schrieb Winkelmann

Ikearing

23.04.2014

Spieglein

Was tut man(n), wenn er nicht viel weniger als einen sozio-obligatorischen Neustart hinlegt? Sozusagen die Platinen des Miteinanders neu sortiert? Richtig, er sucht sich eine Höhle. Und danach geht er in den Wald jagen.

In dem Fall wird dieser schwedisch bewirtschaftet. Ergebnis des Beutefangs sind Objekte wie NORDLI, MALM, RÜLPS und andere haarige Biester. Ganz pragmatisch in Buche und in weiß gebeizt. Reicht ja auch. Dann mal fröhlich an’s Werk.

schrieb Winkelmann

Wo ist das Wochenende?

22.04.2014

Couching

“Keine Ahnung, aber hey hier is ne Couch…” Winkelmann organisiert erste Fletzmöglichkeiten für die Räumlichkeiten. Dafür lohnt sich der routinierte Gang ins Fitness-Center allemal.

Und überhaupt: Wer braucht schon posende Hipster in Schöneweide?

schrieb Woyack

Von wegen Oberschweineöde!

16.04.2014

2 Pappnase

Wir schreiben den 16. April 2014 – die Geburtsstunde einer völlig neuen Weltanschauung, einen neuen Ära, einer noch nie dagewesenen Wohngemeinschaft.

Zugegeben, jeder hat ja schon einmal in unserem Alter einen Mietvertrag unterschrieben. Oder zumindest flüchtig gesichtet, mehr durchgeblättert, und dann zu den Akten gelegt. Wir jedenfalls haben uns in einer Nacht-und-Nebel-Aktion dazu entschieden zusammen zu ziehen. Zwei Snowboardtrips und pseudo-christliche Himmelfahrtkommandos sollten der Grundlage solcher Entschlüsse mehr als genug sein.

Entschieden haben wir uns für ein sozial zaghaft aufblühendes Fleckchen Ostberliner Industriegegend, auch Schöneweide genannt. Genauere Analysen zu den vorhandenen Sinus-Milieus, zu der angesiedelten Infrastruktur sowie dem Kiezklima folgen.

schrieb Woyack