14, hilflos und verstrahlt
Irgendwie habe ich es hin bekommen, die ersten Nächte in der Wohnung zu verbringen. Immerhin: Kühlschrank und Waschmaschine sind pünktlich geliefert worden, die Spediteure waren dann gleich auch so frei, Tragehandschuhe und einen Cutter da zu lassen. Ab sofort werden die lästigen Ikeakartons also wieder aufgeschnitten statt zerfleddert. Zu nett.
Woyack hat es dann am Wochenende endlich mal geschafft, seine sieben Sachen hier abzuladen. Und so bestand unser Samstag aus Möbelmontage, Schlepperei, Möbelmontage, Schlepperei, Blödgequatsche, Schwitzerei und lediglich einer Falafel beim Dönerbistro auf der Wilhelminenhofstraße. Dazu darf gesagt sein, dass unsere neue Gangsterhood hier eigentlich schon ganz schön oke ist. Hinter seiner latent sehr hässlichen, postindustriellen Fassade wiedervereinigter Belanglosigkeit offenbart sich ein relativ ruhiger Kiez mit viel schönem Altbau, grünen Hinterhöfen und dennoch regem Fußgängerverkehr.
Klar gurkt hier noch Klientel rum, das gutbürgerliche Zuzieher aktuell davon abhält, Schöneweide als attraktiven Wohnort zu sehen. Aber ehrlich? Neukölln, Kreuzberg, davor Prezelberg, und wie sie alle heißen, waren genau das vor Jahren auch. Und die Leute sind gekommen. Gut, nun pulsiert hier noch nicht das dicke Stadtleben. Aber der 2009 eröffnete Standort der Hochschule für Technik und Wirtschaft macht Mut. Rund um den Rathenauplatz siedelten sich schon Spätis und Cafés an, denen hier vor zehn Jahren niemand eine Chance gegeben hätte. Aber auch dazu später etwas mehr.
Woyack und ich sind dann gestern noch zu Ikea, weil wir feststellten, dass er ohne Bett schlecht in der Wohnung schlafen kann. So sind wir also wie ein frisch verheiratetes Paar mit einem gemeinsamen Wagen durch diese Einrichtungshölle gedonnert und haben lauthals über Lampen und Einrichtung debattiert. Am Ikeaschalter hielt man uns dann tatsächlich für ein Paar. Und mich offenbar für den weiblichen Part. Denn die Mitarbeiterin fragte zu Farb- und Schrankkombinationen mich. So richtig aussprechen konnte sie ihren Gedanken aber dann doch nicht. “Und wie wollen Sie ihr Bett, also Sie sind ja etwas schwerer und da böte sich eine härtere Matratze an, für ihren..ähm, ja, Partner..Freund, ich meine, er ist ja schon etwas leichter und vielleicht, ähm, nehmen sie dann eine, ich meine, was sagen Sie denn dazu..” “Wir schlafen nicht in einem Bett zusammen.” “Ach so, puh, ja. Ich dachte nur, weil..” Mach den Kopp uff, und sag, was dich bewegt. Wer nicht fragt, bleibt dumm. Wusste schon meine Oma.
Nach erfolgreichem Verladen und Schleppen der nächsten Fuhre von Einrichtung, taten wir das, was man mit neuen Wohnungen immer macht. Man verlässt sie und geht feiern. STAR FM Party im Magnet Club war angesagt. Auch hier stellte ich fest, dass ein nicht geringer Teil des Volkes ganz schön viele Schubladen im Kopf hat. Ich meine, wir schallern in dem Schuppen schon seit Jahren. Aber da wir alle weder eine viehsche Mähne haben, noch moshpit- und bargestählte 125 Kilogramm wiegen, oder in einem “No Future, only BMX”-Shirt in XL  durch die Gegend wehen, waren wir gleich #Yolo-Gruppe Vollverstrahlung. Quasi 14, auf der Suche nach Identität und schwul. Herrlich. Gerade die Damenwelt scheint sich da auf solchen Clubgängen hinsichtlich der Sondierung anwesender Männchen im geschlechtsreifen Alter auf althergebrachte Klischees zu verlassen. Du kein Ding, ist die Überraschung nach dem Smalltalk umso größer.
Falls ihr also demnächst mal ein paar Typen auf der Tanzfläche abspasten seht, die sich und die Welt nicht ganz so ernst nehmen, wir die restlichen harten Typen: Kommt auf unsere Seite, wir haben Kekse. Das Leben ist viel schöner bei uns. Und die Erzieherin ist nie weit weg.
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